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XPLR Magazin 02/2021

Q & A IST HÖREN DAS

Q & A IST HÖREN DAS NEUE SEHEN? In Zeiten von Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder Cortana wird Sound Branding, die akustische Wiedererkennung von Marken, immer wichtiger. Einer, der das Feld schon früh besetzte, ist Michele Arnese. Der gebürtige Italiener gründete 2009 in München amp Sound Branding. Heute beschäftigt seine international erfolgreiche, mehrfach ausgezeichnete Agentur 30 Mitarbeiter:innen. Sie bringen Marken zum Klingen – sind Bilder nicht mehr stark genug? Es ist heute für eine Marke sehr schwer, noch mit Bildern aufzufallen. Da haben wir eine Sättigung erreicht. Etwas anderes spielt noch eine Rolle: Das Gehör arbeitet viel schneller als unsere Augen. Wir können pro Sekunde drei bis vier Wörter bewusst lesen, beim Hören dringen in derselben Zeit rund elf Millionen akustische Bits ins Unterbewusstsein. Es liegt auf der Hand: Mit Sounds kann man viel mehr ausdrücken. Sie haben die SONIC DNA erfunden, ein von Ihnen geschützter Begriff. Was verbirgt sich dahinter? Zu Beginn eines Auftrags betrachten wir eine Marke wie eine Person aus unterschiedlichen Perspektiven. Wir FOTOS: SEBASTIAN ARLT (3), JULIAN BAUMANN 8 Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A /

destillieren all ihre Eigenschaften heraus und überlegen, was deren jeweilige musikalische Entsprechung wäre. Zu fünf oder sechs wichtigen Hauptbegriffen der Marke finden wir sogenannte Sound Principles, musikalische Gebote, die am besten beschreiben, wie eine Marke klingen und nicht klingen soll. Im Grunde entwickeln wir für jedes Unternehmen ein klangliches Vokabular, mit dem wir dann seine akustische Identität kreieren. Früher gab es den Jingle am Ende eines Werbespots. Er hat mit Sound Branding vermutlich wenig zu tun, oder? Genau, vor 30 Jahren wurde in den letzten drei Sekunden des Werbespots das Soundlogo gespielt. Die Verbindung zwischen Sender und Empfänger wurde in diesem Moment geknüpft. Heute aber bewegen wir uns in einer akustischen Welt: Man spricht mit dem Sprachassistenten, Apps geben Meldungen durch, beim Pendeln hören wir Podcasts. Wir hören unendlich viele Sounds, jeden Tag. Das bedeutet unendlich viele Möglichkeiten, mit einer Marke in Berührung zu kommen. Wie nutzen Marken die Sound-Identität? Wir haben eine Software entwickelt, mit der unsere Kunden auf Sounds gemäß dem Storytelling zugreifen können, hier spielt KI eine Rolle. Wenn Mercedes-Benz einen neuen Film drehen möchte, kann das Kreativteam in unserem Archiv nach Tonalitäten innerhalb der Mercedes- DNA suchen. Ein anderes Beispiel: In den USA verbindet die Kosmetikmarke Dove Men+Care unsere Musik nicht nur mit der klassischen Werbung, sondern auch mit Content für soziales Engagement, zum Beispiel mit dem Film „Dads“ zum Thema Männer in Elternzeit. Der Dove-Sound schafft eine hohe Wiedererkennung, er demonstriert aber auch: Das Unternehmen engagiert sich mit seiner Marktmacht für etwas Sinnvolles und die Musik bildet eine starke emotionale Verbindung. WIE DIGITAL IST DAS THEATER DER ZUKUNFT? Als erstes deutsches Theater hat das Staatstheater Augsburg eine Stelle für Digitale Entwicklung geschaffen. Seit Herbst 2020 führt Tina Lorenz die Zuschauer:innen in den virtuellen Raum – mit VR-Brille, Twitch und viel Experimentierfreude. Was ist das Besondere an einem Theatererlebnis mit VR-Brille? Das Gefühl von Präsenz. Im Gegensatz zu einem Stream, der lediglich Ausschnitte eines Bühnenabends zeigt, taucht man mit VR-Brille komplett in eine andere Welt ein. Die Zuschauer:innen haben den Eindruck, Teil der Szene zu sein. Sie können den Schauspieler:innen auf Schritt und Tritt folgen oder die Perspektiven wechseln. Ein immersives Theatererlebnis ist unglaublich theaternah und es verlangt Konzentration. Welche Anforderung stellt eine immersive Aufführung an Schauspieler:innen und Regisseur:innen? Für die Künstler:innen bedeutet VR-Theater eine bisher unbekannte Art des Schauspielens. Sie sind bei der 360-Grad-Erfahrung mit der Kamera allein, kein:e Regisseur:in macht im Hintergrund Anmerkungen. Das ist zunächst beängstigend. Andererseits haben die Künstler:innen die Möglichkeit, den Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Und genau das macht ja Theater aus, so wie man es auch von der Bühne kennt. Gibt es noch andere Digitalformate, die gut funktionieren? Ja, unser Twitch-Kanal, er hat mittlerweile 670 Follower:innen. Aufgrund hoher Inzidenzwerte kam es in Augsburg bereits Ende Oktober 2020 zum Shutdown. Genau da sollte die Premiere des Tanztheaters „Winterreise“ stattfinden. Wir mussten umdisponieren und landeten bei Twitch. Ähnlich wie Gamer, die ihre Live-Spiele nebenbei kommentieren, haben wir während des Livestreams der „Winterreise“ eine Art Watch-Party veranstaltet. Die Dramaturgin und ich haben Fragen aus dem Chat aufgegriffen und mit der Community diskutiert. Kommentare und Feedback sind hier sehr direkt und ungefiltert. Das Coole an Twitch ist, dass alles auf den Live-Moment und das gemeinschaftliche Erlebnis ausgelegt ist. VORHANG AUF FÜR VR: Das ganze Interview mit Tina Lorenz findest Du unter xplr-media.com/ magazin Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A / Q & A