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XPLR Magazin 02/2021

HERO STORY „Ich

HERO STORY „Ich möchte nicht nur den Konsum von Nachrichten fördern, sondern auch die Diskussion darüber.“ SHAM JAFF Welche Quellen nutzt du? Ich nutze quasi alle Zeitungen, deren Sprache ich verstehe – in Deutsch, Englisch, Arabisch, Kurdisch, Spanisch und Französisch. Darunter sind Titel wie die „South China Morning Post“ oder die „Prensa Libre“ aus Guatemala. Aber auch Berichte der Vereinten Nationen oder des World Economic Forum fließen mit ein. Eine weitere wichtige Quelle sind freie Journalist:innen aus aller Welt. Ich habe über die Zeit für mich selbst eine kleine Liste erstellt. In Zeiten von Fake News – wie prüfst du die Echtheit der Nachrichten? Gerade wenn es um politische Konflikte geht, sind eine Menge Falschinformationen in Umlauf. Da wird auf beiden Seiten viel Propaganda betrieben. Deshalb lasse ich mir da lieber Zeit, ehe ich berichte. Ich recherchiere dann selbst und spreche auch mit Journalist:innen vor Ort, um nicht zur Verbreitung von Falschinformationen beizutragen. Du ermunterst Leser:innen zu kommentieren, beispielsweise, wenn sie die Lage anders sehen. Warum ist dir diese Interaktion so wichtig? Weil auch ich blinde Flecken habe. Ich kann nicht – wie ein großes Medienhaus – auf ein internationales Journalist:innen- Netzwerk zurückgreifen. Ich bin froh, wenn mich Menschen auf weitere Aspekte aufmerksam machen. Außerdem möchte ich nicht von oben herab über mir fremde Kulturen sprechen. Unterstützung für Medien-Innovationen Die freie Journalistin Sham Jaff finanziert ihren politischen Newsletter „what happened last week“ (whathappenedlastweek.com) hauptsächlich über Spenden der Leser:innen sowie über ihre wöchentliche Kolumne beim Podcast „Wochendämmerung“. Sie ist darüber hinaus Teil des aktuellen Batches des Media Startup Fellowship, eines Förderprogramms des Media Lab Bayern, das Macher:innen unterstützt, innovative, digitale Medienprodukte zu entwickeln. Neben einer Fördersumme von bis zu 50.000 Euro beinhaltet das Fellowship Coachings, Kontakte zu Medienunternehmen und einen Co-Working Space. Du hast vor Kurzem die erste Community innerhalb deines Newsletters gegründet: die Curious Group. Mit welchem Thema beschäftigt sich die Community? Hier steht die zentrale Frage „Was machen wir mit der Polizei?“ im Mittelpunkt. Nicht erst seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd oder dem rechtsterroristischen Attentat in Hanau wird immer klarer, dass es nicht nur deutschlandweit, sondern auch international wenig Kontrollinstanzen gibt. In der Curious Group sind etwa 30 Personen, die sich zu diesem Thema per Zoom austauschen und sich gegenseitig informieren. Das kommt meinem Anliegen sehr entgegen, nicht nur den Konsum von Nachrichten zu fördern, sondern auch die Diskussion darüber. Du bist mit deinem Newsletter Teil des aktuellen Media-Lab- Förderprogamms, das die Entwicklung innovativer Medienprodukte finanziell unterstützt. Wofür nutzt du die Förderung? Ich würde gern die Idee des Newsletters ausweiten. Es geht um die Frage, welche neuen Formate möglich sind, um diese unterrepräsentierten Themen einem weit größeren Personenkreis zu erschließen. Vielleicht über Podcast-Serien oder andere Formate. Es geht auch um die Frage, ob der Newsletter Grundlage für ein Medienunternehmen sein könnte. 44

How to newsletter Vorab klar definieren: Inhalt + Optik „Auch die Frage: ‚Welches Bedürfnis decke ich mit dem Newsletter ab?‘ muss im Vorfeld beantwortet werden.“ Was macht einen guten Newsletter aus? Der wichtigste Punkt ist das Thema. Dieses muss klar identifiziert werden. „Wie kann ich mit meinem Newsletter dazu beitragen, etwas besser zu machen?“ Man sollte sich auch kritisch hinterfragen: „Bin ich tatsächlich die richtige Person, die das Thema behandeln kann?“ In einem zweiten Schritt muss geklärt werden, wie man erzählen will und den Inhalt strukturiert. Auch das Layout ist ein wichtiger Part. Inhalt und Verpackung müssen also zum Lesen einladen? Genau! Dazu gehört, dass man Themen skippen kann: Niemand sollte den kompletten Newsletter lesen müssen. Bei „what happened last week?“ ist man – ohne die beigefügten Links – in zehn bis 15 Minuten durch. Nicht länger als 15 Minuten „Das drückt auch den Respekt vor den Leser:innen aus.“ Wie gelingt es dir, Leser:innen zu gewinnen? Bei mir läuft das in erster Linie über Mundpropaganda. Meine Leser:innen finden den Newsletter wertvoll und kommunizieren das in ihrem Bekannten- und Freundeskreis. Sie fungieren als Multiplikator:innen. Wie lange sitzt du an einem Newsletter? Es ist tatsächlich ein Teilzeitjob, denn es ist ja nicht nur mit der Analyse und der Zusammenfassung dessen getan, was in der vorherigen Woche passiert ist. Ich erstelle zusätzlich jede Woche eine Spotify-Playlist mit den neuesten Songs aus den Kulturen und Regionen, die im Newsletter vorkommen. Außerdem habe ich eine wöchentliche Kolumne beim Politik-Podcast „Die Wochendämmerung“ mit Katrin Rönicke und Holger Klein. Darin beleuchte ich eines der behandelten Themen oder manchmal auch neue. Zusätzlich beantworte ich alle E-Mail-Anfragen der Leser:innen. Passende Vertriebsstrategie finden „Auch Werbung und gutes SEO helfen, den Kreis zu erweitern.“ Inhalte crosspromoten „Neben Playlist und Podcast möchte ich künftig noch Workshops und Online-Veranstaltungen anbieten.“ 45