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SeeMagazin 2017

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Zum zehnjährigen Jubiläum haben wir uns mit einem neuen engagierten Team an die Weiterentwicklung gemacht: Wir haben uns für ein neues Papier sowie ein besseres Druckverfahren entschieden und das Layout der neuen Ausgabe 2017 ruhiger, klarer und frischer gestaltet.

Eine Zille für Zillner

Eine Zille für Zillner Und für Stefan Seerieder natürlich auch. Die beiden sind nämlich die neuen Fährmänner für die Roseninsel, und ihre Namen scheinen wie geschaffen für diesen Beruf. In ihrer ersten Saison haben sie bereits viel erlebt TEXT MARLENE IRAUSEK Stefan Seerieder (links) und Bernhard „Hermann“ Zillner (rechts) mit der Taufpatin ihrer neuen Roseninsel-Fähre, Marie von Miller-Moll, die zur Einweihung letzten Sommer in Begleitung ihres Pudels erschien 50

SeeMensch Foto: Arlet Ulfers Schon vor mehr als einem Jahrzehnt wusste der Pöckinger Bernhard Zillner, 48, den alle nur „Hermann“ nennen, was er mal werden wollte. Fährmann nämlich, ein bayerischer Gondoliere, der mit seinem flachen Holzboot, hier in der Region auch „Zille“ genannt, Gäste auf die Roseninsel befördert. Das einzige Eiland im Starnberger See ist knapp 200 Meter vom Feldafinger Lenné-Park entfernt. Immer wieder hat Zillner den Mann beobachtet, der diese Arbeit von Mai bis Oktober mehr als dreißig Jahre verrichtete: Norbert Pohlus. Als sich der 2015 zur Ruhe setzte, bewarb er sich zusammen mit seinem Großcousin Stefan Seerieder, 49, für die ausgeschriebene Stelle, und die beiden bekamen prompt den Zuschlag. Kein Wunder, bei den Namen. Voraussetzung dafür war allerdings, eine zweite Zille mit bis zu dreißig Sitzplätzen zu beschaffen. Und so wurde bei der Bootswerft Simmerding ein 11,50 Meter langes Boot aus Mahagoniholz mit Elektroantrieb in Auftrag gegeben, das pünktlich zum Betriebsstart im Mai 2016 eingeweiht wurde. Außerdem mussten die beiden das An- und Ablegen üben und Hermann noch die Lizenz zur Personenbeförderung erwerben. Als Reiseführer hatte Stefan diese schon vorher in der Tasche. Jeden Monat war die Nürnbergerin da In diesem Jahr haben sie ihre zweite Saison. Zum Start im Jahr 2016 mussten die neuen Fährmänner bereits ihre Flexibilität unter Beweis stellen, denn von Juni bis August stand ihnen das Wasser quasi bis zum Hals, also mindestens bis zu den Knien. Denn Hochwasser setzte den Glockensteg, die übliche An- und Ablegestelle, unter Wasser. Aus der Not heraus wurde die Abfahrtstelle daher einige hundert Meter weiter nach vorne in Richtung des Strandbads Feldafing verlegt. Für einen sommerlichen Anblick war trotz der ungünstigen Wetterverhältnisse gesorgt: „Als das Wasser besonders hoch stand, bin ich mit Flipflops gefahren“, schmunzelt Hermann, „beim An- und Ablegen war es einfach unmöglich, trockene Schuhe zu behalten.“ Aber nicht nur wegen des Hochwassers hatten sich der Versicherungskaufmann und sein Kompagnon ihren Karrierestart als Fährmänner ganz anders vorgestellt. Besonders von ihren Gästen waren beide positiv überrascht. Eine Nürnbergerin besuchte die zwei sogar gleich jeden Monat, nur den Oktober ließ sie aus. „Ich weiß nicht, ob sie wegen dem Hermann oder wegen mir so oft da war …“, lacht Stefan. Ganz sicher aber ist sie wegen der Faszination der Insel gekommen, die jährlich bis zu 35 000 Besucher anlockt. „Diese Anziehungskraft, die sie auf die Leute ausübt, entgeht einem nicht.“ Die Landschaft strahlt Ruhe aus, sie entschleunigt. Schon bei der Ablegestelle müssen sich die Gäste ein wenig gedulden. Einen festen Fahrplan gibt es nämlich nicht, gefahren wird nach Bedarf. Bei geringem Andrang wird der Fährmann mittels einer am Steg angebrachten Glocke gerufen. Dennoch oder gerade deswegen sind die Gäste, die kommen, nie mürrisch. „Ich habe lange genug das Telefon in der Versicherung bedient und mache das auch heute noch, da erlebt man, wie Leute mal grantig sein können. Hier sind es durchwegs schöne Begegnungen, manchmal nur ein bisschen zu kurz“, findet Zillner, der halbjährlich für seinen neuen Job als Fährmann freigestellt wird. Für ihn ist es eine willkommene Abwechslung, wenn bei schlechtem Wetter weniger los ist und sich schneller Gespräche mit den unterschiedlichsten Leuten ergeben. Verständigungsprobleme gab es bis jetzt noch keine, denn ein Großteil der Gäste kommt aus Deutschland. Eine Mischung aus Tagesausflüglern, Gartenvereinen und Seniorengruppen sorgt für gute Unterhaltung. Und natürlich die Hochzeitsgesellschaften. Im Casino, dem kleinen Schlösschen auf der Insel, geben sich von Frühsommer bis Herbst regelmäßig Paare das Jawort. An solchen Tagen ist der Zeitplan streng getaktet. Auf Nachzügler kann da leider nicht gewartet werden, außer es handelt sich um die Braut höchstpersönlich. Geschehen bei einer Hochzeit letzten Sommer. Später war an diesem Tag nur noch die Trauzeugin dran, die die Überfahrt dann auch wirklich verpasste. Erst bei der nächsten Runde mit an Bord genommen und durch gutes Zureden beruhigt, schaffte sie es auf den letzten Drücker trotzdem noch zur Trauung. Als Passagiere begrüßen die beiden Zillen-Kapitäne Touristen aus aller Welt. Englisch ist für die beiden kein Problem, und bei Bedarf plaudert Seerieder gern mal Spanisch. So kam er auch mit einem jungen Mann aus dem mexikanischen Cancún ins Gespräch, nur eine Woche nachdem er seinen Urlaub dorthin gebucht hatte. „Er hat mich zum Essen eingeladen, und wir haben uns in Mexiko tatsächlich wiedergesehen.“ „Fährmann sein kann man nicht einfach lernen“ An Schönwettertagen mit großem Ansturm sind auch mal beide Zillen in Betrieb. Ansonsten wechseln sich die Fährmänner mit den Fahrten ab, oder einer der beiden sitzt im „Büro“ auf einer der Parkbänke und verkauft die Karten, während der andere sich um die Überfahrten kümmert. Auch ihr Vorgänger Pohlus half vergangenen Sommer ab und an aus. Darüber freuten sich nicht nur die Gäste, sondern auch Seerieder und Zillner: „Fährmann sein kann man nicht einfach lernen, da muss man reinwachsen. Es beruhigt, jemanden um Rat fragen zu können.“ Ob sie genauso lange im Amt bleiben wie ihr Vorgänger? „Auf dreißig Jahre werden wir nicht kommen. Aber wir glauben, dass hier auch zehn Jahre so intensiv wie dreißig sein können.“ 51