Aufrufe
vor 7 Jahren

SeeMagazin 2013

  • Text
  • Seemagazin
  • Starnberger
  • Starnberg
  • Ammersee
  • Bayern
  • Natur
Im SeeMagazin berichten wir einmal jährlich von besonderen Menschen und Orten aus dem Fünf-Seen-Land. Ein Projekt, das uns schon fast 10 Jahre begleitet und immer wieder begeistert.

SEE-FREUND / Ali

SEE-FREUND / Ali Mitgutsch 64 SeeMagazin 2013 | www.seemagazin.de

Schaubilder sind seine Stärke – und unsere Freude. Unendlich viele liebevolle Details schmücken die Bilderbücher von Ali Mitgutsch. Heute installiert er kleine Traumkästen. Der Mann, der die Fantasie füttert ER HAT UNS ALLE AN DIE HAND GENOMMEN UND IN SEINEN BERÜHMTEN WIMMELBILDERN SPAZIEREN GEFÜHRT – AUF DIE BERGE, ANS MEER, INS LEBEN. ALI MITGUTSCH IST HEUTE 78 JAHRE ALT UND WIDMET SICH VOR ALLEM INSTALLATIONEN MIT FUNDSTÜCKEN, DIE ER MEISTENS AM UFER DES AMMERSEES FINDET. CHRISTINE SCHULZ HAT IHN BEGLEITET Foto: Anja Koehler (1) Gut möglich, dass Ihnen der freundliche ältere Herr am Südufer des Ammersees schon begegnet ist. Sehr wahrscheinlich war das dann nach einem Hochwasser oder stürmischen Regentag. Übersehen kann man ihn kaum, diesen hageren Mann mit beachtlichem, weißen Schnauzbart, markanten Augenbrauen und einem Orientalen-Käppi. Man trifft ihn meistens suchend. Wie Pippi Langstrumpf es mal treffend sagte: Ali Mitgutsch ist hier als „Sachensucher“ unterwegs. Er hält Ausschau nach schönen, von Wasser und Wetter gegerbten und gekerbten Totholzstückchen, nach ungewöhnlichen Kieseln, Steinchen, Muscheln oder Strandgut. Was macht er genau? „Dinge suchen, die schon ein Leben hinter sich haben“, erklärt Ali Mitgutsch, der weltberühmte Vater der Wimmelbilderbücher. Dem Treibgut haucht der inzwischen 78-jährige Künstler später in seiner Werkstatt ein neues Leben ein. Er arrangiert sie mit Fragmenten anderer Fundstücke von Flohmärkten, aus dem Sperrmüll und vom Wegesrand in seinen „Traumkästen“, gibt ihnen Titel wie „Auf den Gipfeln der Tugend“, „Landeplatz für Schutzengel“ oder „Überall ist Wunderland“. Wer in diese „Traumkästen“ schaut, bekommt eine Ahnung davon, was im Kopf ihres Schöpfers vor sich geht. Insofern schließt sich mit dem Alterswerk, wenn man es so nennen darf, ein Kreis, der mit Mitgutschs Wimmelbüchern begann. Die wurden weltweit millionenfach verkauft. In Deutschland gibt es kaum ein Kinderzimmer, in dem nicht wenigstens eines steht. Generationen sind mit Ali Mitgutsch aufgewachsen: Großeltern, Eltern und Kinder hat er mit seinen Büchern zu Spaziergängen mit den Augen durch Städte und Straßen, Höfe und Häfen, Wiesen und Weiler angeregt. Ganz ohne Worte. Die Geschichten dazu müssen sich kleine und große Betrachter schon selbst ausdenken. Was nie ein Problem ist, denn die Wimmelbilder liefern ausreichend Futter. Seine außergewöhnliche Fantasie verdankt Ali Mitgutsch vermutlich dem dunkelsten Kapitel seiner Kindheit: Im Zweiten Weltkrieg wurde er mit Mutter und Schwester von München in ein kleines Kaff ins Allgäu ausquartiert. Noch heute erinnert er sich mit Schrecken, wie er dort von einem sadistischen Dorflehrer und den einheimischen Buben drangsaliert und geschlagen wurde. Um nicht ganz allein zu sein, schuf er sich in seiner Fantasie zwei Freunde, einen dünnen großen und einen kleinen dicken. Mit ihnen erlebte er, versteckt im selbst gebauten Baumhaus, die kindlichen Abenteuer und Freuden, die ihm das wirkliche Leben verwehrte. Als es zurückging in die Stadt, verabschie- www.seemagazin.de | SeeMagazin 2013 65