fälle bzw. Use Cases (s. Seite 17). Zuvor in aller Kürze ein Überblick über die vier verschiedenen Ebenen, die für die Interoperabilität von Daten eine Rolle spielen: 1. Strukturelle Interoperabilität Damit zwei medizinische Geräte miteinander Daten austauschen können, müssen sie miteinander verbunden sein. Dabei geht es vor allem um eine Hardwareverbindung, entweder über ein Kabel oder über ein drahtloses Netzwerk. Die strukturelle Interoperabilität ist die Grundvoraussetzung für den Austausch von medizinischen Daten. 2. Syntaktische Interoperabilität Wenn Daten ausgetauscht werden können, muss auch gewährleistet sein, dass die Informationseinheiten von Sender und Empfänger richtig erkannt werden. Die Systeme müssen also die Zahlenfolgen gleich interpretieren. Die Bitfolge 01001000 01100101 01110010 01111010 kann für das Wort Herz stehen, sie kann aber auch für die Zahlen 72, 101, 114 und 122 stehen. 3. Semantische Interoperabilität Wenn nun der Datensatz richtig erkannt wurde, muss er auch korrekt interpretiert werden. Bei der genannten Zahlenfolge zum Beispiel könnte es sich um Pulswerte handeln, sie könnte aber ebenso verschiedene Kostenschlüssel in einem Abrechnungssystem darstellen. 4. Organisatorische Interoperabilität Hier geht es darum, dass die Organisation so gestaltet ist, dass die Daten entsprechend fließen können. Dabei handelt es sich unter anderem darum, dass Ärzte und medizinisches Personal über entsprechende Berechtigungen verfügen, die Daten abzurufen. Warum lohnt es sich für eine Klinik, die Interoperabilität zu verbessern? Eine gute Interoperabilität hilft grundsätzlich, Prozesse zu vereinfachen. Was früher mühselig per Hand eingegeben wurde, kann nun mit einem Mausklick erledigt werden. Das gilt auch für abzurechnende Leistungen: Häufig ist es komplex und zeitintensiv, die Leistungen zu dokumentieren. Programme wie das Notaufnahmen-Informationssystem ERPath helfen dabei mit einfachen Checklisten, an denen Merkmale wie Abrechnungsziffern und Diagnosen hängen. „Je besser die Interoperabilität, desto einfacher kann diese Dokumentation dann in Abrechnungssystemen verarbeitet werden. Damit sinkt der Aufwand für die Abrechenbarkeit noch weiter“, sagt Susanne Büchner von ERPath Software. Dabei ist es wichtig, auf die sogenannte semantische Dateninteroperabilität zu achten. „Wenn der Entlassbrief in der Urologie ‚Formular 37a‘ heißt und in der Unfallchirurgie ‚Elab‘, kann ein solches Dokument im Zielsystem nicht ohne weitere Maßnahmen automatisch in der richtigen Kategorie einsortiert werden. Es bedarf einer menschlichen Intervention, um diese fehlende Interoperabilität auszugleichen. Das kann Abläufe verlangsamen und bindet Ressourcen“, erklärt der Radiologe Dr. Marc Kämmerer, Leiter des Innovationsmanagements bei VISUS Health IT. Im Grunde ließen sich für jeden Anwendungsfall die Benefits festlegen und teilweise auch beziffern. 16
newhealth.guide #2 Doch eine hohe Interoperabilität von Daten räumt nicht nur Hindernisse aus dem Weg, sondern kann auch zusätzlich unterstützend wirken: „Wenn die Patientendaten in einer für die Software verständlichen Form vorliegen, kann ein Programm den Ärzten auch Hilfestellungen bei der Diagnostik und der Auswahl der richtigen Therapie geben. Gerade bei seltenen Erkrankungen kann das manch eine Ärzte-Odyssee verkürzen oder ganz verhindern“, sagt Fabian Pritzel, Geschäftsführer des Bereichs Technologie & Innovationsmanagement bei den Paracelsus-Kliniken. Welche Schritte sind konkret zu gehen, um eine Interoperabilität der Daten aufzubauen? Das Ideal am Horizont sieht so aus: Durch eine sogenannte Interoperabilitätsplattform fließen alle Daten und sind automatisch überall so verfügbar, dass sie nach aktuellen Datenstandards vergleichbar sind und verarbeitet werden können. Unter Berücksichtigung des Datenschutzes sind die Daten bei Anfragen schnell und im für alle Programme lesbaren Format verfügbar. Damit gäbe es keine Hürden mehr bei der Bereitstellung und dem Verarbeiten von Daten. „Die Herausforderung ist, dass man in vielen Fällen die IT-Infrastruktur einer Klinik von Grund auf erneuern muss. Angesichts des enormen Aufwands ist das für kaum ein Krankenhaus in Gänze machbar“, berichtet Jan Oswald, der bei Deloitte Gesundheitseinrichtungen zur Prozess optimierung und Interoperabilität berät. Kurz: Sich als Ziel zu setzen, alle Daten im Haus interoperabel zu machen, ist in der Regel unrealistisch. Oswald und auch sein Kollege Marc Kämmerer von VISUS Health IT empfehlen daher dringend, in Use Cases, also Anwendungsfällen, zu denken. Schritt 1: Einen Anwendungsfall beschreiben Zunächst gilt es, die Anwendungsfälle zu identifizieren, bei denen Dateninteroperabilität zu einer Reduktion von Kosten und Zeit sowie zu einer Verbesserung der Patientenversorgung führen kann. Das sind typischerweise solche, bei denen Daten durch verschiedene IT-Systeme prozessiert und an weiterverarbeitende Systeme übergeben werden. So kann zum Beispiel ein Klinikum in der Notaufnahme ein eigenes IT-System verwenden, das nicht gut mit dem Krankenhausinformationssystem kommuniziert. Entweder aufgrund fehlender oder nicht interoperabler Schnittstellen (strukturelle Interoperabilität), aufgrund fehlender oder uneinheitlicher Metadaten zur eindeutigen Zuordnung der Daten im Zielsystem (semantische Interoperabilität) oder aufgrund nicht miteinander kompatibler Dateiformate. In der Praxis sieht das dann so aus: Die Stationsärzte erhalten die Notaufnahmebefunde nur als PDF, wo Copyand-paste nur schwer möglich ist. Für die eigene Dokumentation z.B. in Entlassbriefen müssen sie alles selbst eingeben – das ist zeit- und nervenraubend. Der Anwendungsfall wäre hier: Die Daten, die in der Notaufnahme generiert werden, sind im KIS und damit auf Station in strukturierter Form so verfügbar, dass sie dort direkt automatisch in die Dokumentvorlagen übernommen werden können. Welche dringlichen Anwendungsfälle es gibt, ist generell einrichtungsspezifisch. „Es geht darum, die Problemzonen in der eigenen Einrichtung zu finden. Dabei sollten das ärztliche und das Pflegepersonal unbedingt in die Suche und die Definition von Anwendungsfällen einbezogen werden“, so Oswald. Ist ein Anwendungsfall gefunden und beschrieben, geht es an die Umsetzung. Schritt 2: Die Umsetzung Auch wenn sich die Umsetzung auf einen Anwendungsfall fokussiert, kann die Projektdurchführung wiederum viele kleine Schritte umfassen. „Entscheidend ist, dass in kurzen Abständen der jeweilige Fortschritt kontrolliert wird. So kann das Projektteam jederzeit korrigierend eingreifen und die Entscheider können besser und frühzeitiger den Nutzen der Investition bewerten“, sagt Oswald. Je nach Anwendungsfall und Klinikum kann das Vorgehen stark 17
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