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NewHealthGuide 01/2023

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newhealth.guide #1 Wohl dosiert + kontrolliert Text Hendrik Bensch Warum setzen nur wenige Krankenhausapotheken in Deutschland auf eine Unit-Dose-Versorgung? Sie erhöht die Arzneimitteltherapiesicherheit und entlastet Pflegekräfte, wie das UKE in Hamburg zeigt Als Dr. Michael Baehr vor mehr als 15 Jahren während des Neubaus des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) über die Baustelle ging, kam er ins Grübeln. Der Leiter der Krankenhausapotheke hatte dem Vorstand versprochen, nach dem Umbau die gesamte Klinik mit einem Unit-Dose-System zu versorgen: Künftig sollte die Klinikapotheke die Arzneimittel automatisiert und patientenindividuell zusammen stellen, verpacken und dann auf die Stationen liefern. Ob diese große Umstellung gelingen würde? „Ich hatte zwischendurch Zweifel, ob das klappt“, erzählt der UKE-Chefapotheker heute. Rückblickend ist die Umstellung für ihn ein großer Erfolg: „Das war das Beste, 20

FOTOS: PLAINPICTURE/YVONNE RÖDER, UKE UNIVERSITÄTSKLINIKUM HAMBURG-EPPENDORF (2) was ich in meinem ganzen Berufs leben gemacht habe: Es hat die Apotheke und die Klinik vorangebracht und vor allem die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht.“ In der Klinikapotheke des UKE stehen zwei Medikamentenautomaten, beide etwa so groß wie eine Kühl-Gefrier- Kombination. Jeder der Auto maten enthält 330 Vorratskanister mit Arzneimitteln. Täglich spucken sie 15.000 Einzeldosen aus und verpacken sie in kleine Tüten – immer nur ein Arzneimittel je Tüte. Darauf finden sich alle wichtigen Informationen: vom Namen des Patienten und des Medikaments über die Zimmernummer bis hin zu Hinweisen zur Einnahme. Anschließend wird noch einmal kontrolliert: Eine Maschine fotografiert jede Tüte und vergleicht Form, Farbe und Anzahl der Pillen in der Tüte mit den digital hinterlegten Werten. „Wir können uns zur Kontrolle jede der vier Millionen Tüten im Nach hinein anschauen“, sagt Michael Baehr. 1.700 Patientinnen und Patienten werden auf diese Weise am UKE täglich versorgt. Zusammen mit allen einzeln dosierten nicht oralen Präparaten, wie etwa Ampullen oder Infusionsflaschen, gelangen die Medikamente über einen Transportdienst auf die Stationen – zur Abendgabe und für die nächsten 24 Stunden. Dort nehmen die Pflegekräfte die Lieferungen entgegen und vergleichen sie mit den verordneten Medikamenten. Hat sich die Verordnung in der Zwischenzeit geändert, nehmen die Pflegekräfte Tüten heraus oder ergänzen Arzneimittel aus dem Stationsvorrat – zum Beispiel dann, wenn kurzfristig Fieber-, Schmerz- oder Blutdruckmittel verordnet wurden. „Aus dem Stationsvorrat kommt aber nur ein geringer Teil“, sagt Michael Baehr. 96 Prozent aller Gaben, die die Patientinnen und Patienten erhalten, hat das Unit- Dose-System bereitgestellt, hat eine UKE-Untersuchung ergeben. Im Patientenzimmer dokumentieren die Pflegekräfte dann die Medikamentengabe in der elektronischen Patientenakte. So entsteht durch den gesamten Prozess eine lücken lose Qualitätskontrolle. „Jede Berufsgruppe kann jederzeit sehen, wer wann was verordnet hat“, erklärt der UKE-Chefapotheker. Und das ist seiner Ansicht nach nur einer von vielen Vorteilen der Unit-Dose-Versorgung. So benötigt das UKE seit der Umstellung weniger Platz auf den Stationen für die Medikamente. Auf den Intensivstationen stehen heute nur noch wenige Schränke. Auf den anderen Stationen gibt es nur mehr einen kleinen Handvorrat. „Zudem lassen sich dadurch die Pflegekräfte deutlich entlasten“, sagt Chefapotheker Baehr. „Wer heute noch hoch qualifiziertes Pflegepersonal nachts Tabletten sortieren lässt, ist auf dem Ein Erfolg auf ganzer Linie Dr. Michael Baehr leitet seit 1991 die Klinikapotheke des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Die Umstellung auf ein Unit-Dose-System war „das Beste, was ich in meinem Berufsleben gemacht habe“. Täglich verpacken die beiden Medikamentenautomaten 15.000 Einzeldosen Holzweg“, ist sich Baehr sicher. Darüber hinaus konnte das UKE mit der Umstellung die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen. Das hat unter anderem auch das Universitäts klinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel in einer Studie festgestellt. 2018 hat es den Medikationsprozess auf zwei internistischen Stationen umgestellt. Das Ergebnis: Mit hilfe der Unit-Dose-Versorgung sank die durchschnittliche Fehlerrate von 1,38 auf 0 Stellfehler pro Patient – wobei die Endkontrolle hier ein Apotheker übernimmt. Trotz der zahlreichen Vorteile gibt es bisher nur relativ wenige Krankenhausapotheken in Deutschland, die auf eine Unit-Dose-Versorgung setzen. Zwar werden es von Jahr zu Jahr mehr, ihr Anteil lag 2020 jedoch nur bei neun Prozent. Die Kosten sind kein Grund, auf eine Unit-Dose-Versorgung zu verzichten, meint Michael Baehr. Ein Medikamentenautomat im UKE hat etwa 200.000 Euro gekostet. Rechnet man die Ausgaben für den Umbau, die Kontrolleinheit und die weitere Einrichtung hinzu, kommt man auf etwa eine Million Euro – eine vergleichsweise geringe Summe bei einem Umsatz von 1,4 Milliarden Euro. „Bei den Einsparungen, die man an vielen Stellen erzielt, zählt das Kostenargument nicht“, so Baehr. Auch die Klinikgröße ist für ihn kein Argument gegen ein Unit- Dose-System. Bevor das UKE loslegte, habe es geheißen, das sei nur etwas für kleine Kliniken, berichtet Baehr. „Wir haben gezeigt: Es geht auch in einem Krankenhaus der Maximalversorgung.“ Dr. Swantje Eisend, Leiterin der Arbeitsgruppe „Unit-Dose“ beim Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), sieht das ähnlich: „Jedes Krankenhaus und jede Krankenhausapotheke kann grundsätzlich ein Unit-Dose-System einführen.“ Das UKE arbeitet derzeit daran, den Medikationsprozess weiterzuentwickeln: In einem Forschungsprojekt geht es um den 3D-Druck von Arzneimitteln. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinikapotheke wollen zeigen, dass sich der 3D-Druck in den digitalen Medikationsprozess des UKE integrieren und zudem mit Algorithmus-gestützten Daten von Patientinnen und Patienten kombinieren lässt. 21