UNITED GRINDING GROUP INTERVIEW NELL Viele junge Leute, die heute bei uns sind, sind nicht anders als früher. Und war es nicht immer die Elterngeneration, die eher besorgt in die Zukunft geblickt hat? Und unsere Erfahrung mit dem Thema Homeoffice ist die, dass diese Möglichkeit von vielen Mitarbeitenden gar nicht genutzt wird. Eine Begeisterung für den Job, das Unternehmen und das Team entwickelt sich vor Ort im Betrieb. Über Video allein entsteht keine Beziehung. HESSE Ich bin zögerlich, Ihnen zuzustimmen. Ich erlebe in der Arbeitswelt unserer eigenen Firma mit 550 Menschen, dass extrem viel virtuell und digital läuft, weil das Geschäftsmodell es erlaubt. Und natürlich ist der persönliche Kontakt wichtig. Aber wir überlegen sehr stark, wie wir bestimmte Momente schaffen, die für die Identifikation und Motivation geeignet sind, um die normale Arbeit dann doch in den meisten Fällen digital abzubilden. NELL Bei uns ist der Kreis derer, die im Werk sein müssen, größer, denn die Maschinen muss ja jemand zusammenbauen. Das geht nicht von zu Hause aus. Diese Mitarbeitenden wiederum brauchen Unterstützung von vor- und nachgelagerten Tätigkeiten beziehungsweise Arbeitsstellen. Damit reduziert sich das Homeoffice-Thema bei uns auf wenige, bei denen es überhaupt möglich ist, ohne dass die Effizienz der Arbeitsabläufe darunter leidet. Gero Hesse, Agenturchef im Bereich Recruiting, glaubt, dass sich Unternehmen mehr einfallen lassen müssen, um für Nachwuchs attraktiv zu sein. Karin Bauder-Zilly und Stephan Nell weisen darauf hin, dass die Voraussetzungen international sehr unterschiedlich sind (v. l.) HESSE Jobs sind einfach nicht gleich. Oft wird Homeoffice als ungerecht wahrgenommen. Aber wie war es denn früher, wenn man in der Fabrik gearbeitet hat, von sieben bis drei, und der Verkäufer musste morgens um sieben los und ist erst abends um neun nach Hause gekommen? Das war auch nicht gerecht. Der in vielerlei Hinsicht veränderte Personalmarkt hat auch dazu geführt, dass sich die Methoden im Recruiting weiterentwickelt haben. Frau Bauder-Zilly, wie ist die Herangehensweise bei Bosch? BAUDER-ZILLY Wir sind ein großes Unternehmen. Es geht global gesehen um viele Tausend Stellen, die wir besetzen. Es gibt viele Hunderttausende Bewerbungen, die jedes Jahr reinkommen. Deshalb müssen die Prozesse möglichst effizient sein. Wir analysieren, welche Daten entlang des kompletten Hiring Funnel anfallen – von Attraction bis zu dem Zeitpunkt, wo wir die Zusage aussprechen und den Vertrag rausgeben. So können wir unsere Prozesse optimieren und erkennen, wie und wo sich bestimmte Inhalte am besten vermitteln lassen. Zum Beispiel auf einer Veranstaltung vor Ort, mit einer Instagram-Kampagne oder einer Google-Search-Kampagne. Wir können dann ganz genau verfolgen, welche Zielgruppen wir mit der Maßnahme ansprechen oder an welchem Funnel-Schritt wir sie möglicherweise verlieren: Wie ist die Qualität der Bewerbenden, und wo kommt am Schluss eine Besetzung zustande? Sie haben den Bewerbungs- und Auswahlprozess sozusagen automatisiert … BAUDER-ZILLY Es geht jetzt nicht darum, dass eine Maschine den Besetzungsprozess übernimmt. Davon sind wir weit entfernt, und da möchte ich auch niemals hin. Aber nehmen wir zum Beispiel das Thema „hard to fill“, also eine Stelle, die schwer zu besetzen ist. Aber warum glaubt man eigentlich, dass sie schwer zu besetzen ist? Weil jemand diese Erfahrung gemacht hat. Aber es kann ja ein anderer Recruiter eine ganz andere persönliche Erfahrung gemacht haben. Bei solchen Fragen geben wir uns mit subjektiven Eindrücken nicht mehr zufrie- 24 01.2024
MÄGERLE BLOHM JUNG STUDER SCHAUDT MIKROSA WALTER EWAG IRPD „FACHLICHES LÄSST SICH ERLERNEN. WENN DER MENSCH INS TEAM PASST, IST DAS IN DER REGEL KEIN PROBLEM.“ Stephan Nell den, sondern sagen: Okay, da schauen wir in die Zahlen. Wie lange steht die Stelle schon online? Ist sie ausreichend gut beschrieben? Sind zu viele interne Begrifflichkeiten enthalten, die draußen nicht verstanden werden? Ist der Anforderungskatalog viel zu groß und die Menschen fühlen sich überfordert? Ist die Textkomplexität zu hoch? Ist die Anzei ge geschlechterspezifisch geschrieben? Wir haben ein Tool, das uns hilft, das zu identifizieren. Wir haben gesehen, dass sich auf Stellen, die komplexer beschrieben sind, mehr Männer bewerben. Wenn wir mehr Frauen einstellen wollen, müssen wir also auf die Formulierungen achten. Und dann sehen wir, wie die Anzeige nach der Optimierung performt. Mit solchen Vorgehensweisen können wir Conversion Rates verdoppeln. Über welchen Zeitraum kann sich so ein Recruitingprozess ziehen? NELL Wir müssen die Leute schon im Vorfeld an uns binden. Zum Beispiel können wir jemanden auf einer Veranstaltung kennengelernt haben, oder vielleicht hat die Person sich auch bei uns beworben. Wenn wir geeigneten Kandidaten in dem Moment keine Stelle anbieten konnten, bauen wir trotzdem einen Kontakt auf. Damit meine ich nicht, Newsletter zu verschicken, sondern persönlich anzurufen. Wie sieht es aus? Wie ist die Lebensphase? Braucht der Partner vielleicht auch einen Job in der Region, damit es klappt? Und wenn wir all die spezifischen Informationen haben, kriegen wir die als „hard to fill“ identifizierte Stelle auch besetzt. HESSE Recruiting Analytics sind auf jeden Fall der Weg, der jetzt eingeschlagen wird. Etwa die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden ist da schon dran. Dafür braucht es aber die entsprechende Stabsabteilung oder aber externe Unterstützung. BAUDER-ZILLY Wir hatten schon Phasen, in denen wir viele Externe eingestellt haben. Im Moment sind wir eher in der Phase der Konsolidierung und konzentrieren uns auf echte Hard-to-fill-Positionen. Dazu gehören zum Beispiel Experten im Bereich Cybersecurity, Semiconductor oder künstliche Intelligenz. Das sind Fachkräfte, die wir nach wie vor von außen reinholen müssen. Ansonsten haben wir einen riesigen internen Arbeitsmarkt mit 130.000 Mitarbeitenden in Deutschland, die sich auch weiterentwickeln wollen. Die von uns gesuchten Profile sind sehr, sehr schwer zu finden. Das ist ein hartes Geschäft, und da spielen wir die komplette Klaviatur der Maßnahmen. Wir machen auch Eignungsdiagnostik – ein Thema, das wir gerade in unserem gebündelten Expertenservice, dem People Acquisition Campus, implementiert haben. Am Ende möchten wir immer stärker wegkommen von Bauchgefühlen und wirklich Entscheidungen treffen, die fundiert sind. NELL Wir haben Mühe, in Deutschland Servicetechniker zu finden. Reisen, unterwegs sein, nicht mehr zu Hause sein, das wollen die meisten nicht. Also haben wir uns entschieden, die Sache selber in die Hand zu nehmen und unsere bestehenden Mitarbeitenden lokal vor Ort aus- beziehungsweise weiterzubilden, in unseren eigenen Service-Akademien. HESSE Ließe sich dieser Job teilweise digitalisieren, etwa mit Fernwartung? NELL In gewissem Umfang, ja. Digitale Lösungen wie Remote-Service sind im Kom 01.2024 25
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