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LfA Magazin Herbst/Winter 2020

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In der zweiten Ausgabe des LfA Magazins 2020 beschäftigen wir uns mit Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit bereits in die Hand genommen haben: Wir besuchen u.a. den Instrumentenbauer Krinner in Gaißach, die Bruckmayer Mühle in Altötting und sprechen mit Wirtschaftsweise Veronika Grimm über die Chancen der Krise für eine nachhaltige Ökonomie.

INTERVIEW China. Die

INTERVIEW China. Die Welthandelsorganisation (WTO) ist ja zurzeit eher dysfunktional. Gleichzeitig führen die Pandemie und ihre Folgen dazu, dass man einige Abhängigkeiten hinterfragt und Lieferketten neu aufgestellt werden – auf jeden Fall bei medizinischen Produkten. Wir werden trotz allem aber in einer zunehmend globalisierten Welt leben und brauchen dringend einen funktionsfähigen Rahmen für den Welthandel. Und Deutschland und Bayern? Wir müssen die Krise nutzen, um den Aufbau zukunftsfähiger Wertschöpfung auch hierzulande zu beschleunigen. Im Bereich der Digitalisierung hat sich durch Corona in kurzer Zeit viel getan. Diese Dynamik müssen wir aufrechterhalten, zum Beispiel durch die Digitalisierung der Verwaltung, der Schulen und den Aufbau von Infrastruktur. Viele Innovationen im digitalen Bereich – zum Beispiel im sogenannten Internet of Things – entstehen nur, wenn die digitale Infrastruktur existiert, um die Anwendungen auch flächendeckend nutzen zu können. Weitere Chancen bestehen zum Beispiel im Bereich klimaneutraler Technologien und Produkte. Hier erleben wir einen Wettlauf um die Technologieführerschaft; insbesondere die ostasiatischen Staaten drücken aufs Tempo. Dort wird die Entwicklung von staatlicher Seite massiv angeschoben. In Europa setzen wir auf die Marktwirtschaft. Wir brauchen da aber bessere regulatorische Rahmenbedingungen, damit klimaneutrale Technologien und Produkte zu attraktiven Geschäftsmodellen führen und die Unternehmen auch investieren. Es gibt zum Beispiel viele verzerrende Umlagen und Abgaben auf Energie, insbesondere auf Strom. Diese reduzieren die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. 2023 soll es zudem eine sogenannte CO 2-Grenzsteuer geben, die Importe aus Staaten stärker belastet, die keine so strengen Klimaschutzvorgaben wie die EU haben. Auch eine Steigerung der CO 2-Verschmutzungspreise ist geplant und die Integration von Flug- und Schiffsverkehr in den Emissionshandel. Sind solche Steuern der richtige Weg? Man muss da unterscheiden. Bei der Plastiksteuer bin ich sehr skeptisch, die scheint mir ein wenig geeignetes Instrument zu sein. Bei der Bepreisung von CO 2-Emissionen bin ich anderer Meinung. Das ist der richtige Weg – weg von den vielfältigen Steuern und Abgaben auf Energie, hin zu einer sektorenübergreifend einheitlichen Beprei sung von CO 2-Emissionen. Idealerweise in einem europaweiten Emissionshandel in allen Sektoren. Der Grenzsteuer-Ausgleich ist eine sehr schwierige Thematik. Eine Umsetzung an den Außengrenzen der EU kann leicht als Handelsbarriere interpretiert werden und so Konflikte provozieren. Es gibt aber Alternativvorschläge, wie zum Beispiel eine CO 2-Konsumsteuer auf ausgewählte Produkte energie- und handelsintensiver Industrien. Für eine alle Produkte umfassende Lösung müsste man den CO 2-Fußabdruck von jedem einzelnen Produkt vollständig erfassen. Ich halte das für kaum machbar. Beschlossen wurde auch eine Reihe von Steuern, um unsere Umwelt besser zu schützen. Anfang 2021 wird eine „Plastik steuer“ auf nicht recycelbaren Verpackungsmüll eingeführt. Spätestens Im Dekanat: Früher hingen in den durchnummerierten Schränken hinter der Wirtschaftsweisen Grimm und dem LfA-Autor Ruzas die Talare der Professoren 06 LFA MAGAZIN

Von einer wirklichen Reform der Energiepreise sind wir aber noch weit entfernt, oder? Ja, die haben wir noch vor uns. Mit dem Klimapaket 2019 wurde in Deutschland zumindest der CO 2-Preis in allen Sektoren zum Leitinstrument der Klimapolitik. Das ist ein Anfang, aber der konsequente Umbau der Energiebepreisung muss folgen. Im Konjunkturpaket gab es nur eine Deckelung der EEG-Umlage, um deren Anstieg auf fast zehn Cent pro Kilowattstunde zu verhindern. Würden wir die EEG-Umlage und Stromsteuer abschaffen, wäre das eine Entlastung von rund 30 Milliarden Euro. Man könnte das durch die Einnahmen aus der CO 2-Bepreisung refinanzieren, die aber dann sektorenübergreifend auf rund 60 Euro pro Tonne steigen müssten. Es wäre ein mutiger und konsequenter Schritt, der starke Anreize für die Wirtschaft setzen würde, in klimafreundliche Technologien und Produkte zu investieren. Wird es unserer Gesellschaft jemals gelingen, Gewinnmaximierung und die Erwirtschaftung eines Mehrwerts im Sinne der Nachhaltigkeit wirklich zusammenzubringen? Was wir aktuell erleben, ist ja bereits eine Umorientierung hin zu nachhaltigem Wirtschaften. Der Weg ist aber noch weit. Wichtig ist, die Rahmenbedingungen Stück für Stück so anzupassen, dass nachhaltige Geschäftsmodelle attraktiver werden. Nur intrinsische Motivation wird da nicht reichen. „WAS WIR AKTUELL ERLEBEN, IST JA BEREITS EINE UMORIENTIERUNG HIN ZU NACH- HALTIGEM WIRTSCHAFTEN“ dahingehend, was Wertschöpfung generiert. Man wird Wertschöpfungsprozesse weiter denken, zum Beispiel, indem man aus industriellen Reststoffen wieder Kraftstoffe macht. Laut dem „Energiewende-Monitoring“ der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft ist der Stromverbrauch seit 2014 nicht gesunken und die CO 2- Emissionen sind nur unwesentlich niedriger als vor fünf Jahren. Ist das Ziel Bayerns, bis 2050 netto CO 2-frei zu sein, überhaupt noch erreichbar? Technologisch gesehen, ja. Die Frage wird sein, wie wir den Transformationsprozess gestalten. Dabei spielen auch Akzeptanzfragen eine große Rolle, wie etwa die in Bayern bei der Windenergie. Hier kann zum Beispiel die Beteiligung regionaler Stakeholder an der Wertschöpfung helfen. Was kann denn jeder Unternehmer in Bayern tun, um das Klima zu schützen: erst die Gebäude energetisch sanieren oder doch die Fahrzeuge auf Elektromobilität oder Wasserstoff umstellen? Es gibt viele Möglichkeiten, von der energetischen Sanierung bis zur Solaranlage oder integrierten Energiesystemen. Zum Thema Wasserstoff bringen wir im Wasserstoffbündnis Bayern auch verschiedene Akteure gezielt zusammen. Große Konzerne mit Mittelständlern und Kommunen. Gemeinsam entstehen Ideen, wie die Partner in Projekten ihre Kompetenzen einbringen und erweitern können. So wird die Technologie erprobt, die Kompetenz erweitert und es entstehen neue Geschäftsfelder. Brennstoffzellenfahrzeuge können zum Beispiel in einer kommunalen Busflotte oder in der Logistik einer Supermarktkette zum Einsatz kommen. Fast die Hälfte des Stromverbrauchs in Bayern wurde 2018 regenerativ, also durch erneuerbare Energien, gedeckt. 2025 sollen es schon 70 Prozent sein. Was hat denn das größte Potenzial in Bayern: Photovoltaik, Geothermie, Biomasse, Wind- oder Wasserkraft? Eine Mischung aus allem. Traditionell gibt es in Bayern viel Photovoltaik, aber auch die Windkraft kann stärker ausgebaut werden. Bei Biomasse ist das Potenzial begrenzt, da es Konkurrenz um die Anbauflächen gibt. Wasserstoff wird zum Großteil aus Regionen importiert werden, in denen die Gestehungskosten erneuerbarer Energien sehr niedrig sind. Was genau bedeutet Energiewende überhaupt für Sie? Mich fasziniert der Mut der Menschen, Dinge neu zu denken und Veränderungen zu gestalten. Neue technologische Möglichkeiten und Innovationskraft ermöglichen immer mehr eine Kreislaufwirtschaft, sodass wir weniger aus dem Bestand leben müssen. Wenn wir es richtig anpacken, geht es auch nicht vorrangig um eine Verzichtslogik, sondern um einen Perspektivwechsel VERONIKA GRIMM Die Ökonomin Veronika Grimm ist seit 2008 Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Dekanin der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Seit April 2020 gehört sie als Wirtschaftsweise zu den wichtigsten Beraterinnen der Bundesregierung. Ganz nebenbei ist sie auch noch Fußballtrainerin der E-Jugend beim Tuspo Nürnberg. Sie twittert regelmäßig zu Themen aus Wissenschaft und Politik unter @GrimmVeronika. Online unter www.lfa.de/magazin Ökologie und Energieeffizienz kosten. Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach bei diesen Investitionen die LfA Förderbank Bayern im Vergleich zu den herkömmlichen Banken? Sie kann auf Kriterien der Nachhaltigkeit anders achten und sie kann andere Maßstäbe setzen als rein privatwirtschaftliche Banken. Sie kann Dinge durch eine Grundfinanzierung gangbar machen, die am freien Kapitalmarkt so erst mal nicht funktionieren würden. LFA MAGAZIN 07