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LfA Magazin Herbst/Winter 2019

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Unternehmensgründung ist das Thema des LfA Magazins Herbst/Winter 2019. In dieser Ausgabe stellen wir eine Auswahl von der LfA geförderter Unternehmer vor und im Interview plädiert Felix Haas, Veranstalter der Konferenz Bits & Pretzels, für einen neuen Gründergeist in Deutschland.

Unter sich Felix Haas

Unter sich Felix Haas erklärt Autor Stefan Ruzas, was es braucht, um erfolgreich zu gründen die jenigen, die Fehler machen. Dadurch entsteht aber noch mehr Angst. Die Finanzierungslandschaft ist in Deutschland zum Glück ja mittlerweile ganz schön breit. Früher war das ein Trauerspiel, mit wenigen Venture-Capital-Firmen und einigen unerfahrenen Business Angels. Wir haben noch keine US-amerikanischen Verhältnisse, aber da hat sich schon viel getan. Auch bei öffentlichen Förderbanken wie der LfA. Gründer sollten nicht den Fehler machen, zu sehr auf die Bewertung zu schielen und da immer weiter zu optimieren – aus Angst, zu viel abzugeben. Entscheidend ist, den richtigen Partner an Bord zu haben. Lieber habe ich ein Prozent an Shell als 100 Prozent an einer Tankstelle. Und der Partner? Wie kommt man auf den richtigen? Gehen Sie auf Gründertreffen und informieren Sie sich. Sprechen Sie mit möglichst vielen Leuten, vor allem mit anderen Gründern, die gewisse Investoren haben, und bitten Sie um deren Erfahrung. Gründer helfen anderen Gründern meistens gerne, sie machen Türen auf, stellen Verbindungen her. Wie findet man gerade in der Startphase tatsächlich die richtigen Mitarbeiter? Meine Erfahrung zeigt: Gerade in dieser Phase sind Ehrgeiz und Ambition wichtiger als Erfahrung. Ich verspreche meinen Leuten, dass sie bei mir nach fünf Jahren weiter sind als nach 30 Jahren in irgendeinem Konzern. Neugründungen sind Turbo-Erfahrungskanonen. Aber dafür braucht man auch Leute, die anpacken und brennen. Ruhephasen inklusive. Da geht es ja auch um den Mut, Neues zu wagen. Erfahrung kann so was eher verhindern. Schon seit Jahren werden in Deutschland immer weniger Firmen gegründet. Laut Statistischem Bundesamt waren es 2018 bundesweit noch 542.500, also wieder ein Rückgang von 1,3 Prozent. Woran liegt das? Wir sind kein Gründerland. Leider. Deswegen machen wir ja auch Bits & Pretzels. Wir wollen motivieren und inspirieren. Meiner Meinung nach haben wir hierzulande nämlich ein Motivationsproblem. Wir ruhen uns auf unserem Wohlstand aus, wir meckern, sind unzufrieden und versäumen es, Neues aufzubauen. Wann wurden denn die meisten Dax-Firmen gegründet? Doch nicht in den vergangenen 20 Jahren. Wo soll die denn herkommen, die Motivation? Andere Erfolgsgeschichten inspirieren. Wir haben ja kein Problem des Fachwissens oder der Möglichkeiten. Es geht um einen neuen Spirit und darum, uns die Angst vor Fehlern zu nehmen. Wir Deutschen suchen und finden gerne Fehler, und wir zeigen gerne auf Nur jede fünfte Unternehmensgründung hat wirtschaftlich auch Relevanz, zumindest mit Blick auf Rechtsform und Mitarbeiterzahl. Haben wir verlernt, groß zu denken? Haben wir. Stellen Sie sich mal vor, die Herren Linde oder Siemens hätten nicht groß gedacht. Wir brauchen neue große Firmen wie Zalando. Wir brauchen einen Ruck. Wir brauchen das Große und Disruptive, um weltweit auch künftig eine Rolle zu spielen. Wie kann denn die Politik Gründern am besten helfen? Die Staatsregierung in Bayern hat ja eine ganze Reihe von Initiativen gestartet: vom Digitalen Gründerzentrum in Günzburg über den Zukunftscampus in Ingolstadt bis zum Internet-Angebot Gründerland Bayern. Der Einfluss der Politik ist, ehrlich gesagt, begrenzt. Keiner wird eine Firma gründen, nur weil Politiker das toll finden. Es gibt aber durchaus sinnvolle Maßnahmen, die wirklich helfen. Zum Beispiel Exist, ein Förderprogramm des Bundes für Existenzgründungen aus der Wissenschaft. Oder die BAFA- Zuschüsse für Business Angels. Aber auch da gilt: größer denken. Wenn es bei uns ein Förderprogramm für 50 Millionen Euro gibt, sind es in den USA gleich fünf Milliarden. Welche Rolle spielt bei der Umsetzung einer Geschäftsidee denn die aktuelle Wirtschaftslage – vom Handelskrieg zwischen den USA und China bis zum Brexit? 06 LFA MAGAZIN

INTERVIEW Die erfolgreichsten Firmen werden in Zeiten von Abschwung und Krise gegründet. In guten Zeiten kann das ja jeder, weil’s cool oder modisch ist. Aber wer es in schwierigen Zeiten versucht, hat weniger Konkurrenz, kommt günstiger an Mitarbeiter und hat höhere Erfolgschancen. Sie selbst denken ja gerne groß: Sie sind einer der Veranstalter von Bits & Pretzels, Deutschlands größter Gründerkonferenz, die seit 2015 parallel zum Oktoberfest in München stattfindet. 2019 dabei: der frühere US-Präsident Barack Obama und Hollywood- Star Jessica Alba. Wie hilft Ihre Konferenz Gründern? Wir liefern drei Dinge. Erstens: Inspiration durch Erfolgsgeschichten. Zweitens: Networking mit vielen spannenden Leuten vor Ort. Drittens: Lernen auf unseren Sessions oder in unserer Academy. Da geht es dann 45 Minuten lang um wichtige Fragen wie: Wie finde ich einen CTO? Wie geht Online-Marketing? Sprechen Sie alle Gründer an oder vor allem Start-ups? Wir haben rund 5.000 Teilnehmer, von denen natürlich die meisten Gründer im Digitalbereich sind. Aber da sind wirklich alle – vom Studenten bis zum Flixbus- oder Zalando-Gründer. Die Mischung macht’s. Folgt die Gründung eines Start-ups denn anderen Gesetzen als die einer herkömmlichen Firma? In meiner Definition ist ein Start-up eine Gründung, die auf starkes Wachstum in kurzer Zeit ausgerichtet ist. Das heißt aber keineswegs, dass ein Existenzgründer, der das Ziel hat, eine Firma ganz langsam aufzubauen, deswegen schlechter ist. Jeder Mut, jedes Risiko, jede Lust am Aufbau ist wunderbar! Sie selbst haben – neben Ihrem Engagement als Investor – schon zwei Unternehmen erfolgreich gegründet: die Event-Plattform Amiando und IDnow. Die erste haben Sie an Xing verkauft, bei IDnow sind Sie seit Mai nach einer Phase des Rückzugs wieder selbst an Bord. Sind Gründer schlussendlich doch die besten Manager ihrer eigenen Firmen? Jein. Gründer haben den Vorteil der Gründer-Energie, diese oft unkonventionelle Art, Sachen aufzubauen, ohne allzu viele Normen und Standards. Der Nachteil ist das Unstrukturierte. Führungspersonen sind gut für Strukturen und Prozesse. Bei IDnow ist die Entwicklung einfach spannend. Wir haben „NEUGRÜNDUNGEN SIND TURBO- ERFAHRUNGS- KANONEN. ABER DAFÜR BRAUCHT MAN AUCH LEUTE, DIE ANPACKEN UND BRENNEN“ neue Manager, wollen die Firma aber jetzt als Team richtig groß machen: mehr als 100 Millionen Euro Umsatz jährlich, mehr als eine Milliarde Menschen, deren Identität mit unserer Technologie verifiziert wird. Ob bei Banking, Gaming, dem Ausleihen von Autos oder E-Scootern oder anderswo. Wir wollen da die weltweit Besten werden. Idealerweise in Echtzeit. Am Ende muss dieser Identitätscheck so schnell gehen, dass es der Kunde gar nicht merkt. Hatten Sie bei Ihren Gründungen eigentlich jemals Bedenken oder vielleicht sogar existenzielle Sorgen? Natürlich lief nicht immer alles glatt. Von außen schaut vieles einfacher aus, als es ist. Es gab viele Momente und Rückschläge, in denen ich als Gründer nicht wusste, ob es wirklich weitergeht. Wenn plötzlich ein wichtiger Mitarbeiter kündigt oder eine Investorenrunde zu platzen droht. Da hat mich dann halt zu Hause meine Frau in den Arm genommen. Existenziell waren die Sorgen nicht, weil ich ein abgeschlossenes Elektro- und Informationstechnik-Studium habe und bestimmt irgendwo einen Job gefunden hätte. Entscheidend ist, dann zu Höchstform aufzulaufen und als Team zusammenzubleiben. Wenn alles im Matsch ist, kann ein heftiger innerer Drang entstehen. Was war Ihr größter Fehler, den Sie bei einer Gründung gemacht haben? Amiando haben meine Kollegen und ich viel zu früh verkauft. Und bei manchen Mitarbeitern, die nicht die richtigen waren, war ich vielleicht nicht konsequent genug. Gibt es in der Gründungsphase eigentlich einen entscheidenden Moment, in dem Sie spüren: Ja, das Konzept geht auf? Wenn du in der Küche stehst und an deinem Handy rumspielst und plötzlich die Mail liest: „President Obama has accepted your invitation.“ Oder als die BaFin uns schrieb: „Hiermit bestätigen wir Ihnen die Konformität des IDnow-VideoIdent-Verfahrens.“ Das sind Momente, die sind einfach nur genial. Mit welchem Satz oder welchem Tipp machen Sie Gründern am liebsten Mut? Machen, einfach machen. FELIX HAAS Die von ihm gegründete IDnow bietet die erste Online-Lösung für rechtskräftige Verifizierungen von Kunden und Vertragspartnern. Neben seinem Engagement bei der Gründerkonferenz Bits & Pretzels ist der Münchner Seed-Investor bei mehr als 50 Internet-Start-ups. Er war auch bereits Mitglied des Beirats Junge Digitale Wirtschaft der Bundesregierung. Online unter: www.lfa.de/magazin LFA MAGAZIN 07