Aufrufe
vor 1 Jahr

LfA Magazin Frühjahr/Sommer 2022

  • Text
  • Wandel
  • Zukunft
  • Bayern
  • Unternehmen
„Wandel” ist das Schwerpunktthema der LfA Magazin Ausgabe Frühjahr/Sommer 2022. Wir zeigen wie bayerische Unternehmen in schwierigen Zeiten neu denken und handeln. Dafür besuchten wir unter anderem die FIT AG in Lupburg, einen der Weltmarktführer im 3D-Druck und sprechen mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Monika Schnitzer über regenerative Energien, Innovationsnetzwerke und die Chancen der Digitalisierung.

UNTERNEHMEN Die

UNTERNEHMEN Die Kundschaft kommt aus aller Welt, unter anderem aus England, Florida oder Istanbul. Die Stiegelers sind nicht einmal selbst aktiv auf der Suche nach diesen Aufträgen – die Kunden treten von sich aus an sie heran. Der Grund: Sie verfügen über Techniken, die kaum ein anderes Unternehmen verwendet. „Wir haben schon immer eine Nische bedient“, sagt der Kunstschlossermeister, „die Kunden finden uns und erzählen anderen davon.“ Besonders die V-Cut-Technologie hat ihnen vor fünf Jahren einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Mit der entsprechenden Maschine lassen sich besonders dicke Bleche sehr eng und scharfkantig biegen. „In Deutschland gibt es nur drei bis vier Unternehmen, die diese Technologie haben, und wir sind eines davon.“ Darüber kamen zum Beispiel die Aufträge für Luxusjachten: „Wir sind da hineingerutscht, weil wir „IN DEUTSCHLAND GIBT ES NUR DREI BIS VIER UNTERNEHMEN, DIE DIESE TECHNOLOGIE HABEN“ die Maschine haben. Der Architekt will extrem scharfkantige Biegungen für Blechverkleidungen, sucht im Internet nach der V-Cut-Technologie und findet uns.“ Heute muss Stiegeler Aufträge ablehnen, weil es einfach zu viele wären. Wie so oft im Handwerk ist es auch für den Familienbetrieb in Ettringen schwierig, neue Fachkräfte zu finden. Die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie konnte das Unternehmen bewältigen, auch wenn die Krise nicht spurlos an Stiegeler vorüberging. „Zwei bis drei Kunden hatten einen Totaleinbruch. Zum Stichtag, also vom 20. zum 21. März, verloren wir Projekte in beachtlicher Höhe. Von einem Tag auf den anderen“, erinnert sich Georg Stiegeler. Andere Kunden haben dafür enorm investiert und hatten neue Aufträge für die Stiegeler GmbH. So habe sich das die Waage gehalten, fasst der Senior-Chef zusammen. Dass das Unternehmen immer wieder eine neue Nische findet und nicht von der Konkurrenz eingeholt wird, liegt auch an einem Funken Risikobereitschaft. Besonders Christian Stiegeler weiß seinen Vater mit frischen Ideen zu überraschen. Ein Beispiel dafür ist die Anschaffung einer computergesteuerten Fräsmaschine. An der alten, analogen Fräsmaschine waren nach etwa zehn Jahren Betrieb Reparaturen fällig. „Da sind ein paar Zahnräder kaputtgegangen, die haben richtig viel Geld gekostet. Doch im Nachbarort gab es eine Versteigerung, bei der Solides Handwerk: Die neue Biegemaschine erlaubt scharfkantige und enge Biegungen (rechts). So können Blechprodukte den luxuriösen Eindruck von Edelmetallen erzeugen. Bei der Veredelung ist Handwerksarbeit gefragt, hier verschweißt ein Mitarbeiter eine Gitterblende (links)

Einblick in den mittelständischen Familienbetrieb: Ein Mitarbeiter bedient die Maschine per Knopfdruck (links). Serienelemente, mittels moderner Technologie mit höchster Präzision gefräst (Mitte). Blick in die Werkhalle der Stiegeler Metallbau GmbH, in der die Maschinen dicht an dicht stehen. Hier arbeiten die 15 Mitarbeiter sowie Georg, Christian und Benjamin Stiegeler auf engem Raum zusammen die gleiche Maschine angeboten wurde.“ Da der Firmenchef an diesem Tag seiner Arbeit nachgehen musste, schickte er seinen Sohn zur Auktion. „Ich sagte ihm: ‚Wenn die Maschine aufgerufen wird, kannst du bis 2.500 Euro mitgehen.‘“ Doch als Christian Stiegeler nach der Auktion seinen Vater anrief, traf diesen der Schlag: Er sollte gut 12.000 Euro bereitstellen. Was war passiert? Sein Sohn hatte eine moderne CNC-Maschine ersteigert, die zu diesem Zeitpunkt keiner der Angestellten bedienen konnte. Um das zu lernen, besuchen Handwerker teils mehrwöchige Fortbildungen. Doch Christian Stiegeler nahm sich des neuen Geräts an, setzte sich mit Handbuch vor die CNC-Fräse – „und nach anderthalb, zwei Tagen hat er das Firmenlogo mit der Maschine gefräst“, erzählt Georg Stiegeler. Der heutige Junior-Chef war zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre jung und noch in Ausbildung. Das legte den Grundstein für den Einsatz der CNC-Technik im Familienunternehmen und verschaffte der Firma neue Aufträge. Die Geschichte zeigt: Der deutsche Mittelstand steht nicht still – und das ist auch notwendig. Der Mammutaufgabe Digitalisierung muss sich auch das Handwerk stellen, zudem belasten im Zuge des Krieges in der Ukraine die steigenden Energie- und Materialpreise den Markt. Dass Stiegeler in den vergangenen Jahren dennoch wachsen konnte, ist auch darauf zurückzuführen, dass sich das Unternehmen den Herausforderungen frühzeitig gestellt hat. Mithilfe einer LfA-Förderung investierte das Metallbauunternehmen 2018 in zwei neue Maschinen, die nicht nur Energie sparen, sondern auch die Materialkosten erheblich senken. Mittels eines modernen EDV-Systems werden die Produkte im 3D-Modell am Computer entworfen, die Maschinen erledigen die notwendigen Arbeiten automatisch. Kompetenz aus zwei Generationen: Junior- Chef Christian (l.) und Benjamin Stiegeler (r.) gemeinsam mit ihrem Vater Georg Stiegeler FAKTEN STIEGELER METALLBAU GMBH Finanzierung: Energiekredit Plus Gründungsjahr: 1985 Standort: Ettringen Mitarbeiter: 15 www.stiegeler-metallbau.de Online unter www.lfa.de/magazin Die neuen Maschinen sollten primär Verluste durch Abwärme reduzieren und insgesamt energieeffizienter arbeiten. Doch die Investition hat sich auch in weiteren Bereichen bezahlt gemacht. „Mit dem neuen Laser sparen wir Energiekosten, außerdem können wir sauberer schneiden und noch mehr Materialien verarbeiten.“ Unter anderem Messing, das heute stark nachgefragt wird: So hat sich der Kundenkreis abermals erweitert. Daneben besaß Stiegeler eine Biegemaschine, die enorm viel Ausschuss produzierte, da sie die Winkel teils um einige Grad verfehlte. Das moderne, computergesteuerte Gerät arbeitet dagegen hochpräzise. Der Einsatz beider Maschinen hat sich schnell gelohnt: Der Umsatz stieg von 2019 bis 2021 bei konstanter Mitarbeiterzahl um etwa 30 Prozent. Mit Blick auf die nächsten Jahre zeigt sich Stiegeler optimistisch: „Klar ist, dass wir Aufträge haben. Wir wissen nur noch nicht, welche Arbeiten genau wir verrichten werden.“ Wer die Augen offen hält, kann schon jetzt in vielen Luxushotels bestaunen, was das Familienunternehmen produziert. Vielleicht verbinden die Besucher irgendwann auch den Namen Stiegeler mit den Lobbys der Nobelunterkünfte. Und dann wissen womöglich auch die Ettringer, was die Stiegeler Metallbau GmbH eigentlich so macht. LFA MAGAZIN 23