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LfA Magazin Frühjahr/Sommer 2017

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Wie wichtig Nachhaltigkeit für unsere Gesellschaft ist, zeigen wir in der Frühjahr / Sommer Ausgabe 2017 des LfA Magazins: Mit Ifo-Chef Prof. Dr. Clemens Fuest sprechen wir über den Zusammenhang von Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Wachstum. Wir besuchen die Bio-Brauerei Lammsbräu in Neumarkt und stellen das Hightech-Unternehmen Econ Industries aus Starnberg vor, das ein weltweit begehrtes Verfahren zur Reinigung von Bohrschlamm entwickelt hat. Wir hoffen wir stecken Sie an mit der Idee des nachhaltigen Wirtschaftens!

MENSCHEN „MAN SOLLTE

MENSCHEN „MAN SOLLTE UMWELT- VERSCHMUTZUNG MIT STEUERN BELASTEN, STATT DAS UNTERLASSEN ZU BELOHNEN“ Nachhaltigkeitsstrategien legen zunächst nur allgemeine Prinzipien fest. Konsequenzen gibt es erst, wenn Gesetze geändert werden oder Konsumenten ihr Verhalten ändern. Neuerdings ist es für Firmen zudem EU-rechtlich verpflichtend, über ihr Nachhaltigkeitsmanagement öffentlich Bericht zu erstatten. Allerdings gibt es bis heute keinen politisch gewollten Indikator, der die Zahl der Unternehmen mit einer solchen Nachhaltigkeitsberichterstattung misst. Ist das gut oder schlecht? Unternehmen mit entsprechenden Berichten zu zählen sollte eigentlich nicht schwer sein. Ob die dann ermittelte Zahl sonderlich nützlich ist, darüber kann man allerdings sicherlich streiten. Nach wie vor ist Nachhaltigkeit kein Staatsziel ... Dadurch, dass Dinge zu Staatszielen ernannt werden, ändert sich nicht notwendigerweise viel, es kommt darauf an, was konkret getan wird. Wird es trotzdem gelingen, das derzeitige Wirtschaftssystem in Deutschland auf nachhaltiges Wirtschaften umzustellen? Nachhaltiges Wirtschaften gehört seit Jahrhunderten zu unserer Wirtschaft. Allerdings gab es immer wieder Bereiche, in denen nicht nachhaltig gewirtschaftet wurde, so zum Beispiel beim Umweltschutz oder in der Abfallwirtschaft. Hier sind erhebliche Fortschritte erzielt worden. Was motiviert denn Führungskräfte und Manager am besten für einen Strategiewandel – Boni oder Gesetze? Beides. Boni werden Manager erhalten, wenn sie im Interesse der Eigentümer handeln. Dort, wo die Interessen der Eigentümer von den gesamtwirtschaftlichen Interessen abweichen, muss der Staat mit Gesetzen eingreifen. Es gibt ja mittlerweile auch 17 globale Nachhaltigkeitsziele, die von der internationalen Staatengemeinschaft vor zwei Jahren in der „Agenda 2030“ verabschiedet wurden. Sie reichen von „Keine Armut“ und „Erneuerbare Energie“ bis „Verantwortungsvoller Konsum“. Welche Rolle haben Ihrer Ansicht nach dabei die Unternehmen? Sie sollten diese Ziele unterstützen, aber in erster Linie werden sie die Interessen ihrer Eigentümer verfolgen und sich an den rechtlichen Rahmenbedingungen orientieren. Den neuen US-Präsidenten Donald Trump scheinen weltweiter Klimaschutz und die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen nicht sonderlich zu interessieren. Nein, das ist bedauerlich, aber offenbar nicht einfach zu ändern. Trotzdem PROF. DR. CLEMENS FUEST sollte man nicht aufhören zu versuchen, ihn umzustimmen. Wäre es sinnvoll, echtes nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen durch eine verminderte Steuerlast zu belohnen? Nein. Umweltverschmutzung beispielsweise sollte man mit zusätzlichen Steuern belasten, statt das Unterlassen dieser Verschmutzung zu belohnen. Das sagt jedenfalls das Verursacherprinzip. Wie gelingt es denn überhaupt, nachhaltige Geldanlagen aus der Nische in den Mainstream zu holen? Vermutlich nur dann, wenn diese Geldanlagen die gleiche Rendite erbringen wie andere auch. Immer mehr Menschen haben den Eindruck, dass unser gegenwärtiges Verständnis von Wirtschaft – das darauf basiert, immer weiter zu wachsen – auf Dauer gar nicht mehr funktionieren kann. Stimmt das? Anders als viele Menschen glauben, beruht Wirtschaftswachstum nicht in erster Linie auf dem Verbrauch physischer Ressourcen, sondern auf neuen Ideen. Das Wachstum endet erst dann, wenn uns die Ideen ausgehen. Ich sehe nicht, warum es jemals dazu kommen sollte. Wie können denn Gewinnmaximierung und die Erwirtschaftung eines Mehrwerts im Sinne der Nachhaltigkeit künftig zusammenpassen? Der Ordnungsrahmen, also Gesetze und Institutionen, muss so gestaltet Als Nachfolger von Hans-Werner Sinn ist Fuest seit April 2016 Präsident des Ifo-Instituts. Er war 2007 bis 2010 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen und von 2013 bis 2016 Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Im Februar 2017 erschien sein Buch „Der Odysseus-Komplex: Ein pragmatischer Vorschlag zur Lösung der Eurokrise“ www.lfa.de/magazin 06 LFA MAGAZIN

sein, dass mit der individuellen Gewinnmaximierung auch das Gemeinwohl gefördert wird. Da das in vielen Gebieten ganz gut gelingt, ist die Marktwirtschaft, kombiniert mit dem demokratischen Rechtsstaat, jeder anderen bekannten Wirtschaftsordnung überlegen. Manche Experten haben den Eindruck, dass die meisten der Nachhaltigkeitsziele eher ein Projekt verschworener Eliten sind und nicht gerade ein gesellschaftliches Anliegen, das möglichst viele Menschen erreicht und teilhaben lässt. Wenn das so wäre, würde die Demokratie dafür sorgen, dass diese Ziele nicht verfolgt würden. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Mehrheit der Menschen in unserem Land an Nachhaltigkeitsfragen interessiert ist. Kann denn nachhaltiges Wirtschaften für ein mittelständisches Unternehmen in Niederbayern wirklich ein Wettbewerbsvorteil sein? Das kommt darauf an, welchen Aspekt von Nachhaltigkeit man betrachtet. Wenn es darum geht, zum Beispiel höhere Umweltstandards einzuhalten als gesetzlich vorgeschrieben, lohnt sich das nur, wenn die Kunden das freiwillig bezahlen. Es gibt ja Überlegungen, die externen Kosten von Produkten und Dienstleistungen zu messen und in die Preise zu integrieren. Soziale Kosten also, die Belastungen der Umwelt oder die Dienstleistungen in Ökosystemen, beispielsweise bei der Säuberung von Wasser. Was bringt diese Erfassung immer neuer Daten? Das ist eigentlich ein altes Prinzip. Man verteuert Benzin, weil seine Verbrennung die Umwelt belastet. Wie genau und detailliert man dabei vorgeht, hängt unter anderem von der Datenverfügbarkeit ab. Sicherlich kann man das übertreiben. Ohne Digitalisierung gibt es demnach keine Nachhaltigkeit? Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun. Auf der „Green Economy Konferenz“ Ende 2016 in Berlin wurde empfohlen, Informationen und Instrumente zu nachhaltigem Konsum in realen Kontexten experimentell zu testen. Beispielsweise durch das Auflegen von Real-Laboren zu nachhaltigem Lebensmittelkonsum in drei Städten und Landkreisen, die dann wissenschaftlich begleitet werden. Ist so etwas sinnvoll? Das ist pauschal nicht zu beurteilen. Es kommt auf die Kosten des Experiments und den erwarteten Ertrag an. Spielt Nachhaltigkeit in Ihrem persönlichen Leben – ob im Haushalt, auf Reisen oder beim Auto – schon eine besondere Rolle? Es ist nicht so, dass mich das Thema Tag und Nacht beschäftigt, aber ich lebe zum Beispiel in einem Haus, das mit Erdwärme beheizt wird, also ohne fossile Brennstoffe. LFA MAGAZIN 07