Aufrufe
vor 6 Jahren

FOCUS STYLE – April 2017

  • Text
  • Broenner
  • Seat
  • Fashion
  • Style
  • Focus
Der Name des Supplements FOCUS STYLE ist Programm: Unter anderen gingen wir mit SEAT Chefdesigner Alejandro Mesonero-Romanos gemeinsam im neuen SEAT Leon auf Entdeckungstour in Barcelona und trafen Jazz-Musiker Till Brönner zum Gespräch über Smokings und seine Stilvorbilder.

GUIDE Ziel Es gibt

GUIDE Ziel Es gibt Frauen, denen sollten Sie keine Komplimente machen: der besten Freundin der eigenen Frau, Schülerinnen, Auszubildenden, Hotpants-Trägerinnen und Frauen, die Ihre Tochter sein könnten. Courage Ein Satz wie „Sie sind hart näckig, fachlich brillant und sehen auch noch gut aus“ sollte ein Selbstläufer sein. Ist er aber nicht. Als Barack Obama die Generalstaatsanwältin Kamala Harris so ansprach, gab es sofort eins auf den Deckel allerdings nicht von ihr. Lassen Sie sich nicht entmutigen! Tonlage Nicht übertreiben! Ist eine Frau normal gekleidet, ist ein „Du siehst heute aber gut aus“ angemessen, Hat sie sich offensichtlich gestylt, ist so etwas wie „fantastisch“ durchaus erlaubt. Körper Busen, Beine, Po: Es ist die Ironie des Jahrtausends, dass ganze Industrien davon leben, dass Frauen irgend wie „heißer“ aussehen und dass das Resultat dann aber nicht thematisiert werden soll. Trotzdem: Benennen Sie nichts, was Sie nicht auch anfassen dürfen. Elan „Du hast so schöne Augen.“ Nein, nein, und nochmals nein. Ein bisschen anstrengen müssen Sie sich schon, damit das Kompliment ernst genommen wird. WIE MACHE ICH EINER FRAU EIN KOMPLIMENT ? Standpunkt Ja, Sie können auch fremden Frauen Komplimente machen. Aber bitte nicht, wenn Sie gerade neben ihnen in der Tram eingeklemmt sind. Esprit Wer auf Nummer sicher gehen will, sagt etwas Nettes über den Charakter oder den Esprit: Etwas wie „Du hast so viel Witz, ich kenne niemanden, der so geistreich ist wie du!“ geht eigentlich immer. Schauen Sie der Frau in die Augen und reden Sie in Zimmerlautstärke. FOTO: GRACE HUANG AT BLOOD & CO 36 FOCUS STYLE

HOW TO Gut, es erfordert Gespür, den richtigen Ton und den passenden Moment. Aber deshalb, liebe Männer, solltet Ihr nicht komplett darauf verzichten, uns zu sagen, was Ihr so an uns schätzt. TEXT HENRIETTE KUHRT Wenn es eine Rote Liste für bedrohte Tugenden gäbe, dann stünde das Kompliment ganz oben: Es ist vom Aussterben bedroht. Verschwunden aus den Straßen, den Cafés, den Restaurants, erst recht aus den Unternehmen, Universitäten und allen Orten, an denen Hierarchie und Macht eine Rolle spielen. Es hat sich aus dem deutschen Alltag zurückgezogen, vermutlich ist es sogar ein globales Phänomen. Ich verstehe ja, dass Männer sich zurückhalten. Das Kompliment wurde von seinem ungewaschenen Halbbruder, dem Herrenwitz, in Sippenhaft genommen. Doch während Anzüglichkeiten („Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“) zu recht aus dem Katalog der akzeptablen Verhaltensweisen geflogen ist, vermisse ich das Alltagskompliment sehr. Doch bei den Männern hat sich das sehr amerikanische Motto „Better safe than sorry“ durchgesetzt, und jetzt sind wir Frauen vielleicht safe, aber leider auch sorry. Stattdessen wurde das Kompliment von der Streberwährung Lob ersetzt, oder noch schlimmer, von seinem passiv-aggressiven Zwilling, dem Feedback. Da wird nicht mehr über Schönheit oder Charme geredet oder wie die Haare in der Sonne leuchten. Stattdessen wird Leistung bewertet, Erfolg, erfüllte Pflicht. So eine Ansprache im Stil eines Mitarbeitergesprächs hat mit einem echten Kompliment so viel zu tun wie ein Low-Carb-Eiweißbrot mit einer neapolitanischen Pizza. Man kann sich eine Weile schönreden, dass so eine Äußerung auch irgendwie ihren Zweck erfüllt, aber glücklich, so richtig innerlich strahlend wie eine sorgsam überlegte Liebenswürdigkeit, macht das eben nicht. Weil Männer Frauen keine Komplimente mehr machen, müssen Frauen sich jetzt gegenseitig aushelfen: „Hübsches Kleid!“, „Neue Frisur?“, „Gut siehst du aus!“ so tiriliert es in jeder Damenrunde, jedes neue Profilbild bei Facebook wird vor allem von Freundinnen beklatscht. Kein Wunder, dass es in den sozialen Netzwerken von Katzenbildern und Einhörnern nur so wimmelt: In einer Welt, in der man nicht mehr auf männ liche Aufmerksamkeit hoffen kann, werden eben neue Symbole der Zusammengehörigkeit gefunden, die Männer völlig außen vor lassen. Das hat zur Folge, dass Frauen schnell überfordert sind, wenn ihnen denn mal geschmeichelt wird. Statt einem „Danke!“ werden Komplimente sofort kleingeredet, relativiert oder von sich gewiesen. Das hier soll ein schönes Kleid sein? Dabei war das total billig, und alt ist es auch noch! Viel schwerer wiegt aber, dass Frauen wirklich Probleme haben, auf Entgleisungen souverän zu reagieren. Einen landesweiten Skandal zu entfachen und eine Rufmordkampagne zu starten, erscheint mir eher übertrieben, sich bei Twitter zu beschweren, ineffizient. Die meisten Frauen beantworten ein schlechtes Kompliment mit einem schiefen Lächeln und einem Geräusch, das etwa so klingt: „Hmjjj“. Ein klarer Satz wie „Ihr Kommentar ist unangemessen“ oder „Das führt in die falsche Richtung“ kommt viel zu selten, dabei wäre eine direkte Reaktion an dieser Stelle wirklich einmal wünschenswert. Es ist aber auch schwierig, gute Komplimente zu machen: Was die eine Frau erfreut, mag der anderen zu weit gehen und was vom einen Mann angemessen erscheint, ist vom anderen übergriffig. Manchmal kommt es einfach auf den richtigen Moment an, auf den Zusammenhang, auf die Tonlage oder auch nur darauf, dass der Absender das richtige Aftershave benutzt. Kein Wunder, dass Männern das Risiko einfach zu groß ist, etwas Falsches zu sagen. Aber das kann doch nicht der Grund dafür sein, dass wir das Aussterben des Kompliments so widerstandslos hinnehmen. Es sind nun wirklich genug Missgunst, schlechte Manieren und Unfreundlichkeit im Umlauf, da sind Männer gefragt, die die Stimmung der Frauen wenigstens etwas aufhellen. Das klingt nach wenig, ist aber viel. „Happy wife, happy life“, heißt es so schön. Das gilt auch für die Kollegin, die Nachbarin, die Politesse und für die Frau von der Reinigung glauben Sie mir, das gute Karma kommt irgendwann wieder zu Ihnen zurück. Wem das zu esoterisch klingt, der kann sich an die Hirnforschung halten: Sie kommt nämlich zu dem Ergebnis, dass Komplimente das gleiche Hirnareal wie eine Gehaltserhöhung oder sexuelles Vorspiel stimulieren, wie man am Neuroscience Center der Universität Zürich herausgefunden hat. Ein Miniorgasmus fürs Gehirn, besser geht es ja wohl nicht! Und der Urheber des Kompliments stünde am Ende auch gut da: In der Komplimentwüste Deutschland hat jeder galante Mann sofort ein Alleinstellungsmerkmal, und zwar als Freund der Frauen. Sie könnten als kultureller Botschafter auftreten, für eine neue Männlichkeit, souverän, charmant, mutig. Sie sind so ein Supertyp, Sie können das! Henriette Kuhrt ist Stilkolumnistin der NZZ am Sonntag. FOCUS STYLE 37